ADAC Mitarbeiterin Nina Göring (32) überquerte zu Fuß die Alpen von der Zugspitze bis nach Meran. Was für sie wichtig ist und was sie dabei erlebt hat, erzählt sie hier.
Das war eine unglaubliche Erfahrung: eine geführte, mehrtägige Wanderung über die Berge – von der Zugspitze nach Meran. Manchmal, als die ganze Gruppe vor sich hinlief und es ein bisschen regnete, war nur das Klackern der Stöcke auf den Felsen zu hören. Ab und zu läuteten in der Ferne Kuhglocken, sonst war Ruhe. Das ist eine andere Welt, vom Außen abgeschnitten, kein Mobilfunknetz. Das ist ein unglaubliches Freiheitsgefühl. Du bist nur mit dir, dem Weg und der Gruppe beschäftigt. Das ist geradezu mystisch und meditativ.
Eine genaue Vorstellung von dieser Sechs-Tage-Wanderung über 78 Kilometer hatte ich nicht. Vor dem Weg und der Anstrengung hatte ich Respekt. Sorge bereitete mir eher die Gruppen-Konstellation. Wenn die Gruppe nicht harmonisch ist, ist das schade. Aber es hat sich gut ergeben: Die Konditionen und das Tempo ähnelten einander, das hat gut gematcht. Die neun Leute inklusive Bergwanderführerin kamen aus allen Ecken Deutschlands, aus Berlin, Frankfurt, einer sogar aus Wien. Vom Alter waren wir sehr gemischt, zwischen 32 und Ende 50. Unterwegs trafen wir immer wieder eine andere Gruppe, da spürte ich schnell, dass bei denen die Stimmung nicht so gut war wie bei uns.
In nur drei Stunden zurück zum Start: Der Zugspitze
Die Tour führte die ersten Tage von der Zugspitze über das Inntal auf fast 3000 Meter hoch. Dann ging’s weiter in die Stubaier Berge. Vor der Übernachtung in der hochgelegenen Siegerlandhütte wanderten wir über den Stubaier Gletscher über Neuschnee. Auf einer Höhe von über 3200 Metern merkt man schon die dünnere Luft beim Bergaufgehen. Dazu das Wandern über das schneebedeckte Blockgelände ̶ das war durchaus anspruchsvoll.
Am sechsten Tag dann öffnete sich der Blick auf die südliche Alpenseite. Großartig. Über das aufgelassene Bergwerk Schneeberg ging es zum Timmler-Joch-Pass und von dort nach Meran. Am siebten Tag fuhren wir mit dem Bus in knapp drei Stunden zurück nach Garmisch. Da wäre ich am liebsten ausgestiegen und weiter Richtung Süden gelaufen.

Diese Wanderung habe ich kurzfristig gebucht, dran gedacht hatte ich aber schon länger. Manchmal überkommt mich das Berg-Weh, dann muss so was einfach sein. Mit Corona hatte das nicht so viel zu tun, grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man nichts lange aufschieben sollte.
Ich treibe regelmäßig Sport, gehe Joggen und Tennis spielen. Mit Wanderungen von Hütte zu Hütte, etwa um den Königssee, hatte ich auch schon Erfahrung. Ich verfüge also über eine gute Grundkondition, die für eine solche mehrtägige Wanderung wichtig ist. Einmal lief ich in knapp sechs Wochen den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Aber mit einer Wanderung in den Bergen ist das nicht zu vergleichen, diesmal habe ich 3720 Höhenmeter überwunden und bin 7040 Meter wieder runtergelaufen. Das ist was anderes als der Alltag, an die Anstrengung des Wanderns muss ich mich immer wieder gewöhnen.
Der Berg reduziert auf das Wesentliche
Etwa an den Rucksack: Mein 40-Liter-Rucksack wog 13 Kilo inklusive Wasser und Proviant. Das ist erst mal ein Monster auf dem Rücken. Mit dem laufe ich sechs Tage lang rum, der muss passen. Am Anfang schmerzten abends die Hüftknochen, da wusste ich gar nicht, wie ich weiterlaufen sollte. Glücklicherweise konnte ich ihn noch etwas verstellen, und dann ging es ohne Probleme.
Von Wanderungen mit Gepäcktransport halte ich nicht viel. Wer sich nicht reduzieren und sein Gepäck selbst tragen kann, ist für diese Art von Reisen nicht unbedingt geeignet. Man trägt ein paar Tage die gleiche Hose und den gleichen Pulli, aber das stört niemanden. Auf dem Berg beschränkt man sich auf das Wesentliche. Warme Klamotten sollte man aber immer dabeihaben, im Gebirge schlägt das Wetter schnell um.
Unsere Bergwanderführerin lief ein sehr gleichmäßiges Tempo vorneweg, trotzdem muss sich eine Wandergruppe erst mal organisieren. Ich bin meistens an der siebten Position gegangen. Vorne fühle ich mich immer gehetzt. Man muss seinen persönlichen Trott finden. Während der Wanderung geht man häufig hintereinander, da ist wenig Zeit für Gespräche, besonders bergauf. Da ist man für sich. Abends in der Hütte, die wir immer gegen Nachmittag erreichten, bei Essen und Bier oder einem Schnaps kommt man schnell ins Gespräch. Allerdings ist um 22 Uhr Hüttenruhe. Um 6 Uhr geht’s wieder weiter.

Am meisten fürchte ich in den Bergen Gewitter, da diese gefährlich werden können. Aber bei unserer Tour war das Wetter zu schlecht für Gewitter. An zwei Tagen hatten wir bis mittags Sonne, das ist wunderschön, gerade wenn sich die Berge in einem der Seen spiegeln. Mit Sonnenaufgang hat es dieses Mal nicht so gut geklappt, weil das Wetter einfach zu schlecht war und es viel geregnet hat.
Beim Wandern über die Alpen einen Regenschirm im Gepäck
Deswegen ist eine gute Ausrüstung extrem wichtig. Meine Regenjacke ist dicht, der Rucksack mit einem Überzug geschützt und die Schuhe wasserdicht. Ich hatte sogar einen Regenschirm dabei. Dafür wird man gerne belächelt. Wenn man aber Forstwege geht und es regnet, ist er sehr praktisch, so regnet es nicht zwischen Rucksack und Rücken rein. Sogar ein zweites Paar Schuhe hatte ich dabei. Wenn man oben ist und die Schuhe gehen kaputt, kann man ja kein Ersatzpaar kaufen.
Mein Ziel in diesem Jahr ist es, keinen Berg zweimal zu besteigen. Demnächst ist eine Tagestour auf den Guffert in Tirol geplant. Als nächste große Tour möchte ich eine Gletscherwanderung machen und den Großvenediger besteigen. Die Leidenschaft fürs Wandern liegt mir und meiner Familie im Blut.
Aufmacherbild: privat
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Und wenn Nina Göring nicht gerade die Alpen überquert, arbeitet sie als Mediengestalterin digital und print beim ADAC