Was tun, wenn Papa Lust auf eine Winterwanderung hat, der Nachwuchs aber nicht? Unser Autor hat den Winterausflug zum Wildlife-Abenteuer gemacht. So wird die Suche nach Tierspuren im Schnee zum Spaß für die ganze Familie.
Die richtig kalten Tage, an denen die Luft klar und frisch ist und die Sonne die verschneite Landschaft zum Funkeln bringt, gehören für mich zu den schönsten des Jahres. Meine Töchter, 7 und 9 Jahre alt, lieben diese Tage ebenfalls – vor allem, wenn es zum Schlittenfahren zum nahe gelegenen Hügel geht.
Auch ich mag die gesellige Ausgelassenheit dort, die Beinahe-Karambolagen, die Wettrennen, das Purzeln in den Schnee mitsamt Eiskristallen im Kragen.
Doch heute möchte ich etwas anderes mit meinen Kindern erleben.
„Packt euch warm ein!“, fordere ich die beiden nach dem Frühstück auf. „Heute geht es in den Wald. Wir machen es wie die Indianer, folgen den Tierspuren durch den Schnee und jagen uns ein Wildschwein oder Eichhörnchen zum Mittagessen. Ihr könnt doch Fährten lesen, oder?“
Die erste Verwunderung weicht bald einem Lächeln, schließlich wissen die beiden, dass ich Wildschweine süß finde und Eichhörnchen höchstens so lange mit Erdnüssen füttern würde, bis sie sich nur noch kugelnd fortbewegen können. Endgültig weicht ihre Skepsis, als ich ihnen verspreche, sie auf dem Schlitten bis zum Wald zu ziehen.

Etwas zum Aufwärmen darf bei der Spurensuche nicht fehlen. Foto: mauritius images/alamy
Ausrüstung zum Fährtenlesen im Schnee
Einige Spuren erkenne ich sicher, etwa die eines hoppelnden Hasen. Bei anderen Spuren wird es schwieriger. Nicht immer ist es ganz einfach, das Trittsiegel, also den charakteristischen Fußabdruck, eines Hundes von einem Fuchs zu unterscheiden.
Daher packe ich ein Fährtenbestimmungsbuch ein, zusätzlich auch ein Maßband, um die Länge der Pfoten oder der Hufe zu messen. Wer kein Buch hat, findet die gängigsten Tierspuren auch im Internet zum Ausdrucken.* Sonst wird das Fährtenlesen schnell zum Frust.
Und für die Extraportion Abenteuer nehme ich noch eine faltbare Isomatte, einen kleinen Sturmkocher, einen Topf und drei Becher mit – und natürlich eine Flasche Kinderpunsch und Lebkuchen. Fährtenlesen kann hungrig machen.

Hasenspuren erkennt man leicht an ihrem Y-förmigen Bild. Foto: iStock
Auf der richtigen Fährte – die ersten Tierspuren im Schnee
Noch bevor wir den Waldrand erreichen, finden wir, tief in die Schneedecke eingedrückt, die ersten Tierspuren im Schnee. Sie zeigen eine ganz charakteristische Spur. Zwei Pfoten stehen hintereinander, zwei nebeneinander.
Ich lasse meine Töchter raten – und sie liegen direkt richtig. Es ist ein Feldhase, der bei seinen weiten Sprüngen die Hinterpfoten stets nebeneinander vor die hintereinander stehenden Vorderpfoten setzt. So entsteht fast ein Y.
Der erste Erfolg weckt die Abenteuerlust der beiden erst richtig und wir folgen den Tierspuren im Schnee bis in den Wald, als sie sich hinter dichten Brombeerranken verlieren. Der Schlitten bleibt hier stehen und wir gehen zu Fuß weiter – und hinterlassen nun nach den Kufenspuren auch unsere Fußabdrücke im Waldboden. Denn spurlos gibt es nicht.

Wo der Biber am Werk war, hinterlässt er deutliche Spuren in der Natur. Foto: iStock
Fußabdrücke sind nicht alles
Jede Tierart hinterlässt ihre Spuren in der Natur. Doch das muss sich nicht auf die reine Gangart oder den Fußabdruck, das sogenannte Trittsiegel, begrenzen. Wir folgen dem Plätschern des nahen Bachs und entdecken bald neue Tierspuren im Schnee, die selbst mich zum Staunen bringen.
Eine alte Eiche, deren Stamm ich mit beiden Armen kaum umschließen könnte, ähnelt nun einer Sanduhr. Rundum Späne und wie angespitzt stehende, dünnere Baumstümpfe.
Hier war der Biber am Werk, der sich zumindest bei uns in der Gegend immer weiter ausbreitet. Er schafft sich damit seine eigene Lebensumwelt – und trägt durch angestaute Wasserflächen und verringerte Fließgeschwindigkeiten dazu bei, dass sich neue Tier- und Pflanzenarten ansiedeln können.
Einzigartiges Trittsiegel
Biber sind scheue Gesellen und auch seine Burg finden wir nicht. Doch durch den leichten Schnee entdecken wir eine breite, schlangenlinienförmige Spur, die sich die Böschung hinunterzieht. Hier war der Biber unterwegs, der seine Fußspur mit seinem Schwanz, der sogenannten Kelle, verwischt hat.
Im Schlamm des Ufers sichten wir schließlich klar erkennbare Fußabdrücke. Biber setzen als behäbige Sohlengänger ihre Hände und Füße mit der gesamten Hand- beziehungsweise Fußfläche auf. Und die kann ganz schön groß sein.
Nicht selten sind die Hinterpfotenabdrücke so groß wie eine menschliche Hand. Die Vorderpfoten zeigen zudem lange und kräftige Finger, zwischen denen sich Schwimmhäute befinden.

Ob der scheue Biber auf diese Tarnung reinfällt und sich doch noch blicken lässt? Foto: getty
Fährtenlesen wie am Schnürchen
Beim Ausatmen kondensiert die Luft, so kalt ist es. Um uns aufzuwärmen, beschließen wir, zum gemütlichen Teil überzugehen.
Hinter einem umgestürzten Baum breiten wir die Isomatte aus und schmeißen den Kocher an. Genussvoll schlürfen wir unseren nach Zimt und Nelke duftenden Punsch. So gut kann er selbst auf dem Weihnachtsmarkt nicht schmecken, da sind wir uns einig. Unsere Sinne sind ja nun auch geschärft.
Wie wir so daliegen, entdecken wir noch weitere Tiere. Weiter weg – wir hören ihn nur – klopft sich ein Specht sein Mittagessen aus der Rinde. Und nur rund 10 Meter von uns entfernt sehen wir tatsächlich noch ein Eichhörnchen, wie es mit einem Sprung auf dem Stamm einer Buche landet und in Windeseile im Wipfel verschwindet.

Gerade wie eine Perlenkette – das deutet auf Fuchsspuren hin. Foto: iStock
Erfolgserlebnis
Als wir uns schließlich auf dem Rückweg befinden, taucht vor uns eine einzigartige, fast schnurgerade Tierspur im Schnee auf. Wir sind ratlos, doch ein Blick in unser Tierbestimmungsbuch hilft weiter.
Ja, hier ist ein Fuchs getrabt, dessen Zehenspitzengang sonst nicht so leicht von dem einer Katze oder eines Hundes unterscheidbar ist. Doch die wie Perlen aufgereihten Fußabdrücke sind charakteristisch für das „schnürende“ Raubwild.
Äußerst zufrieden mit unserem Erfolg als Fährten- und Spurenleser machen wir uns auf den Nachhauseweg – und planen dabei schon unser nächstes Abenteuer. Wer weiß, vielleicht entdecken wir das nächste Mal ja die Spuren einer Wildkatze, finden ein paar Eichelhäherfedern oder entdecken gar die Spuren des Wolfs, der angeblich in unserer Gegend gesichtet wurde.

Beim Fährtenlesen wird Winterwandern zum Abenteuer. Foto: getty
Die 5 Top-Regionen für die Spurensuche im Schnee
Allgäuer Alpen
Im östlichen Allgäu, an der Grenze zu Österreich, fallen jährlich durchschnittlich 7 Meter Neuschnee. Perfekte Bedingungen für winterliches Wandern und Fährten lesen.*
Schwarzwald
Der Hochschwarzwald ist berühmt für seine vielfältigen Winterwandermöglichkeiten* und als Lebensraum für viele heimische Tierarten.
Bayerischer Wald
Mit etwas Glück lassen sich im Nationalpark Bayerischer Wald sogar Luchse beobachten.* Seit den 90ern steigt hier die Population der in Deutschland größtenteils ausgerotteten, scheuen Tierart.
Harz
Der Winter im Oberharz verdient seinen Namen noch. Auch hier führen zahlreiche Winterwanderwege durch verschneite Wälder* zu den Spuren von Fuchs, Hase und Co.
Erzgebirge
Hier finden sich für Fährtenleser viele geeignete Vorschläge für Winterwandertouren* durch Waldgebiete.
Text: Oliver Lang; Aufmacherfoto: iStock
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