Die digitale Transformation treibt auch den ADAC um. Das Thema wird in der Münchner Zentrale systematisch verfolgt und bearbeitet, vor allem vom Bereich Digitales Innovationsmanagement, das Manolito Utech seit Ende 2017 leitet. Wir haben mit ihm über seine Aufgaben gesprochen und dabei erfahren, welche Rolle Start-ups für den ADAC spielen.
ADAC: Herr Utech, was genau machen Sie im Digitalen Innovationsmanagement?
Mano Utech: Einfach gesagt, entwickeln wir digitale Plattformen weiter und wollen in diesem Zusammenhang Innovationen ins Haus tragen. Dabei muss es nicht immer um die großen Projekte gehen, wir testen auch kleinere Ideen und Ansätze und haben da einen Zeitrahmen zwischen einem und vier Jahren im Blick. Unsere Fragen: Was könnte dabei für den ADAC interessant sein? Welchen Nutzen bringt uns die Lösung und vor allem, wollen unsere Mitglieder und Kunden diese auch nutzen?
Sie leiten also eine Art „digitales Versuchslabor“?
Genau, wir führen Machbarkeitsstudien durch und setzen Pilotprojekte auf. Das müssen nicht zwangsläufig superinnovative Themen sein, die vorher noch kein Mensch ausprobiert hat. Hauptsache, wir gehen neue Wege, die den ADAC voranbringen.
Können Sie ein Beispiel geben?
Im Rahmen der Digitalisierung der Geschäftsstellen haben wir für den Regionalclub Niedersachsen/Sachsen-Anhalt eine Videoberatungsplattform aufgesetzt, mit der die Kollegen Online-Termine zu den Themen Reise und Versicherung anbieten können. Der Test läuft noch, aber die Rückmeldungen sind schon jetzt positiv.
Wie gehen Sie an solche Projekte heran?
Wir arbeiten im besten Wortsinn „agil“. Wir wollen und dürfen etwas ausprobieren, ohne dass die Erwartung herrscht, alles müsse gleich zu 100 Prozent funktionieren. Denn erfolgreiche Innovationen beginnen mit der Unternehmenskultur. Um diese Kultur leben zu können, brauchen wir eine echte Fehlerkultur, Freiheit und Vertrauen von oben – all das haben wir zum Glück. Nur so können wir die Kollegen in den Fachabteilungen auch wirklich mitnehmen.
Was ist dabei das Wichtigste?
Ganz klar Kommunikation! Gerade am Anfang eines Projekts müssen viele Gespräche geführt werden, in denen man verdeutlichen muss: Es geht nicht darum, alle Bedenken und Gefahren abzuwehren, sondern zunächst ganz bewusst Neues und Unbekanntes auszuprobieren und damit dann ins Risiko zu gehen – um schlussendlich daraus zu lernen. Nicht ganz einfach, weil es von allen Beteiligten Offenheit für Veränderung sowie Mut braucht.

Manolito Utech leitet seite Ende 2017 den Bereich Digitales Innovationsmanagement im ADAC
Lassen Sie uns konkret einige Projekte betrachten. Woran arbeiten Sie?
Ein Hauptthema für den ADAC ist die Arbeit mit Bots, von Chatbots über Voicebots bis hin zu Videobots. Auf der ADAC Homepage steht den Nutzern bereits unsere virtuelle Assistentin Anna – ein Chatbot – zur Verfügung. Das Feedback ist ausgezeichnet, fast nur positiv. Seit etwa eineinhalb Jahren testen wir auch Voicebots, die noch näher am zwischenmenschlichen Dialog sein sollen. Da gilt es, viele Optimierungsrunden zu drehen.
Innovativstes Thema ist der Videobot, den wir anfangs mit Kollegen in der Zentrale getestet haben. Und das ist der Usecase: Sie benötigen Hilfe beim Fremdstarten, rufen mit dem Smartphone an und erhalten einen Link. Sie starten die Kamera, der Videobot erkennt das Kamerabild und gibt dem Anrufer dann Anweisungen, was zu tun ist. Enorm spannend, weil die künstliche Intelligenz des Videobots auch falsche Handlungen erkennt.
Das Thema Service ist ohnehin sehr wichtig. Gerade haben wir einen Test mit dem Berliner Start-up bliq abgeschlossen. Da ging es um die Parkplatzsuche via App. Mit dem Start-up Changers entstand eine App, mit der unser Mobilitätsverhalten transparenter werden soll – anhand von CO2-Verbrauch und möglichem Fitness-Nutzen.
Diese technischen Entwicklungen setzen Sie aber nicht selbst um?
Nein, in der Regel kooperieren wir bei diesen Testprojekten mit Start-ups, mit denen wir vor allem über zwei Start-up-Accelerator-Programme in Kontakt kommen. Die Start-ups sind nah dran am Markt und verfügen sowohl über das technische Know-how als auch über die notwendige Flexibilität.
In welchen Bereichen spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle?
Wir denken da nicht in Abteilungen oder Bereichen, sondern wollen die digitale Transformation über alle Unternehmensbereiche vorantreiben und am Ende passgenaue Services und Produkte für unsere Mitglieder und Kunden schaffen. Hierbei ist übergreifendes Denken gefragt, da digitale Angebote sehr oft aus themen- und bereichsübergreifenden Bestandteilen bestehen. Wir brauchen, wie jedes andere Unternehmen auch, den Mut zur Veränderung. Dabei nehmen wir die Kollegen möglichst mit. Viele Menschen sträuben sich ja prinzipiell zunächst gegen Veränderung. Aber wir möchten vermitteln, dass Veränderung langfristig für die Sicherheit unserer Arbeitsplätze sorgt.
Wie ist das Verhältnis zwischen dem ADAC und einem kleinen Start-up?
Wir sehen uns da eher als Kooperationspartner und weniger als Auftraggeber. Bei den meisten Projekten erzeugen wir eine Win-win-Situation. Start-ups wollen Erfahrungen mit breiteren Unternehmensstrukturen und mit größerem Kundenbestand machen. Wir möchten sehen, ob die Angebote von unseren Mitgliedern und Kunden angenommen werden, und ob die technische Lösung funktioniert. Eine Blaupause für die Zusammenarbeit mit Start-ups haben wir nicht, obwohl wir nach ein paar Lernschleifen einige interne Prozesse vereinfacht haben – es ist jedes Mal eine neue Herausforderung, die unterschiedlichen Themen zusammen anzugehen.
Auf den Punkt gebracht wollen wir unsere Produkte, Leistungen und Prozesse weiterentwickeln. Natürlich neue Geschäftsmodelle erkunden und die digitale Transformation auch als kulturelle Transformation verstehen und in den ADAC tragen.
Unser Ziel ist es, dass Innovationen auch direkt aus den Fachbereichen heraus angetrieben werden. Wenn das passiert, haben wir einen guten Job gemacht. Und uns selbst ein ganzes Stück weit überflüssig.
Fotos: Shutterstock/TippaPatt, ADAC