Johann Kreiter, Jahrgang 1949, ist leidenschaftlich gerne unterwegs – auch wenn er seit 40 Jahren dazu einen Rollstuhl braucht. Im Gespräch berichtet er von seinen Erfahrungen auf Reisen: als Privatmann und als zertifizierter Prüfer für barrierefreien Tourismus.
ADAC Redaktion: Wie buchen Sie Ihre Reisen, pauschal oder individuell?
Johann Kreiter: Ich bin meist individuell unterwegs. Mit guter Planung lassen sich auch für mich als Rollstuhlfahrer Fernreisen wie zum Beispiel nach Thailand allein bewältigen. Bei Bedarf organisiere ich mir vor Ort Unterstützung.
Ist Ihr Aktionsradius durch den Rollstuhl sehr eingeschränkt?
Technische Neuerungen verbessern die Mobilität, etwa der E-Pilot. Das ist ein elektrisches Zuggerät für manuelle Rollstühle. Als Zubehör gibt es Akkus, die auch im Flugzeug mitgenommen werden können. So kann ich zum Beispiel im Rahmen einer Kreuzfahrt selbständig Tagesausflüge unternehmen, wie im Dezember 2020 auf der thailändischen Insel Koh Samui.

Mobilität erleichtert: Ein E-Pilot vergrößert den Aktionsradius von Johann Kreiter © Foto: privat
Stichwort Thailand, Sie waren dort schon zweimal unterwegs: Was fällt Ihnen spontan Positives ein, wenn es um Unterkünfte für Menschen mit Behinderung dort geht?
In der Regel sind dort die Badezimmer recht großzügig und die Zugänge zu den Duschen ebenerdig. Das ist international keine Selbstverständlichkeit, wie sich schon bei der Reiseplanung zeigt: Oft geht aus den Fotos von Hotelzimmern nicht hervor, ob Toiletten und Duschen leicht zugänglich sind, weil die Bilder nicht aus der richtigen Perspektive gemacht wurden.
Und das Reiseland Deutschland, wo gibt es hier Verbesserungsbedarf?
Mit Ausnahme von Reisebussen ist bei den Verkehrsmitteln die Situation ganz gut, so gibt es zum Beispiel im neuen ICE vier Rollstuhlstellplätze. Auch Flughäfen und Flugzeuge sind besser zugänglich geworden, ebenso Hotels, Restaurants, Cafés und Sehenswürdigkeiten. Nur an ausreichende Informationen zu kommen ist noch immer nicht einfach. Wenn es um Unterkünfte geht, sind hier die Tourismusverbände bessere Ansprechpartner als die Häuser selbst oder Buchungsplattformen.
Wie können Menschen mit Behinderung barrierefreie Angebote in Deutschland finden?
Ein guter Einstieg ist die Plattform Reisen für Alle* des Deutschen Seminar für Tourismus (DSFT). In dessen Projektbeirat sind unter anderem der Deutsche Tourismusverband und der ADAC vertreten. Hier sind Hotels, Restaurants und Freizeiteinrichtungen nach ihrer Eignung für Menschen mit Geh-, Hör- und Sehbehinderung oder mit kognitiven Beeinträchtigungen beschrieben. Ein großer Vorteil dieser Seite ist das einheitliche Erhebungs- und Kennzeichnungssystem.
Sie sind nicht nur privat auf Reisen, sondern im barrierefreien Tourismus auch beruflich engagiert?
Ich bin zertifizierter Erheber des DSFT und Prüfer der Tourismusmarketing Baden-Württemberg. Für diese Aufgaben war ich bisher bis zu drei Monaten im Jahr in Baden-Württemberg unterwegs. Dabei nehme ich alle Bestandteile einer touristischen Servicekette, darunter Transportunternehmen, Bahnhöfe, Hotels, Restaurants und Sehenswürdigkeiten, unter die Lupe. Besonders wichtig ist hier, alle für Behinderte relevanten Aspekte mit Fotos zu dokumentieren. Außerdem schreibe ich über meine Reiseerfahrungen in den Magazinen PARAlife!* und PARAplegiker*.

Unter Palmen: Johann Kreiter besuchte auch die thailändische Insel Koh Samui © Foto: iStock.com/tupikov
Ist auf Ihren Reisen schon einmal etwas richtig schief gegangen?
Ja, im Dezember 2020, zu Beginn meiner zweiten Thailandreise. Ich bin auf der AIDA vor Koh Samui seitlich aus dem Rollstuhl gefallen und habe mir den linken Arm gebrochen. Glück im Unglück war, dass mir sehr viele hilfsbereite Menschen zur Seite gestanden sind, vom Schiffsarzt über das genauso professionelle wie freundliche Personal im Bangkok Hospital Samui bis zu den Mitarbeitern an den Flughäfen und im Flugzeug. Dank meiner Reisekrankenversicherung und der Reiseabbruchversicherung beim ADAC erhielt ich einen ärztlich begleiteten Rückflug nach Deutschland. Und ich wurde durchgehend in der Klinik auf Koh Samui über den aktuellen Stand und die nächsten Schritte der Hilfeleistung auf dem Laufenden gehalten.
Besten Dank für das Gespräch, viel Gesundheit und Freude auf Ihren nächsten Reisen!
Das Interview wurde im Januar 2021 geführt.
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Foto: ©Shutterstock/Nejron Photo
Hier lest ihr, wie Paul Stappenbeck sich seinem Traum vom Trike für Rollstuhlfahrer verwirklichte, und hier, wie der ADAC den Krankenrücktransport zweier Freunde aus Thailand nach einem Rollerunfall organisierte.