Auf Reisen schöpferisch tätig sein – soweit das Konzept eines Kreativurlaubs. Für Autorin Sophie Stöcker eine ganz neue Erfahrung. Beim Shabby-Chic-Seminar im Künstlerdorf Fischerhude erwachten schlafende Schöpfergeister zu neuem Leben.
In der Hand halte ich Schmirgelpapier. In meinem Haar hängen feine Sägespäne. Ich bin im Urlaub! Dass ich jetzt nicht Saunabademantel, sondern Arbeitskittel trage, habe ich meinem Mann zu verdanken.
Werken statt Wellnessen
Ich bin ja nicht gut im Beschenktwerden. Meine Freude über die einfallsreiche Idee meines Mannes, mir eine Kreativreise in Form eines zweitägigen Shabby-Chic-Workshops zu schenken, war anfangs etwas verhalten. So richtig viel konnte ich mir unter so einem Kreativurlaub nämlich nicht vorstellen. Zwangsläufig musste ich an VHS, von Neonröhren beleuchtete Räume und den Geruch von Linoleum denken. Aber da lag ich weit daneben.

Kreativreisen bieten eine schöne Möglichkeit, in Deutschland Urlaub zu machen. Foto: Adobe Stock
Kreativurlaub buchen
Das Angebot an Kreativreisen ist groß. Ob Tango am Meer, Bildhauen in den Bergen oder Fotoworkshop in Berlin Mitte – gemeinsam haben Kreativreisen das Konzept, beim gemeinsamen Schaffen eine neue Umgebung, andere Reisende und vielleicht auch eine neue Seite an sich kennenzulernen. Wer an einem Kreativurlaub interessiert ist, hat mehrere Möglichkeiten: Größere Agenturen vermitteln Kreativkurse von seriösen Anbietern und geben einen Überblick über verschiedene Interessenbereiche.
Oder: Man weiß schon ganz genau, welchem kreativen oder DIY-Projekt man sich in seinem Urlaub widmen möchte, und sucht im Netz gezielt nach der passenden Reise. Auf diesem Weg stößt man auch auf familiärere Angebote und Geheimtipps. Bewertungen im Netz, ein Blick auf die Homepage und ein Anruf beim Anbieter vermitteln einen guten Eindruck, ob das Angebot zu einem passt.
Shabby-Chic-Seminar
So landete ich auf Initiative meines Mannes nach entspannter Bahnfahrt also in Niedersachsen. Im beschaulichen Künstlerdorf Fischerhude in einem zauberhaft schönen historischen Landhaus bei Heike im Shabby-Chic-Seminar.
Shabby Chic beschreibt einen Look, Möbel gewollt antik aussehen zu lassen. Die Farbtechnik kommt aus der Fassmalerei, die schon in der Renaissance, vor allem bei der Skulpturenmalerei, verwendet wurde. Mehrere Farbschichten werden übereinandergelegt, sodass die jeweils darunterliegende durchschimmert.
Das antike Upgrade soll nun auch dem seelenlosen Holztablett zu neuem Glanz verhelfen, das ich im Gepäck habe. Ich bin noch skeptisch, ob meine Künste es noch vor einem Schicksal auf dem Wertstoffhof bewahren können. Dank Corona und Kindern schlafen meine kreativen Geister ziemlich tief.

Romantische Landhäuser im Fachwerkstil findet man so einige im niedersächsischen Künstlerdorf Fischerhude. Foto: Adobe Stock
Kreativurlaub für Anfänger
Die gemütliche Werkstatt befindet sich im Erdgeschoss. Zwei Gästezimmer, natürlich im Shabby Chic gestaltet, liegen unter dem Dach.
Wir sind zu dritt und alle totale Laien in diesem Business. Carmen und Sandra, zwei befreundete Lehrerinnen aus Hamburg, haben Hocker und Bilderrahmen dabei. Mitbringen muss man aber nichts, auch keine Vorkenntnisse. Heike hat eine Auswahl an Gestaltungsobjekten parat.
Bei Mürbegebäck und Earl Grey gibt Heike Hilfestellung bei jedem Arbeitsschritt. Abschleifen. Grundieren. Erste Farbschicht auftragen, gefolgt von der zweiten. Wieder schleifen, um die darunterliegende Farbe zum Vorschein zu bringen.

Über die erste Farbschicht wird eine zweite so aufgetragen, dass die erste durchschimmert. Foto: iStock
Spaziergang durchs Teufelsmoor
Dazwischen ist jede Menge Zeit für Gespräche und längere Spaziergänge wie ein Ausflug ins romantisch-mystische Teufelsmoor. Verschlungene Trampelpfade, historische Holzstege, Heide, Wälder und Weide prägen diese Region.
Danach gönnen wir uns hausgemachten Kuchen im Café des Rilke-Hauses, das sich den Namen verdient hat, weil der Dichter dort zwei Jahre residierte. Jetzt kann die Kreativität wieder fließen.

Nostalgische Holzbrücken wie diese kennzeichnen die Landschaft bei Fischerhude. Foto: Adobe Stock
Entspannung auf anderer Ebene
Der Geruch von Holz und Farbe, das sanfte Geräusch, wenn der Pinsel über die Holzmaserung fährt – das hat für mich etwas Meditatives. Wie oft habe ich mich auf anderen Reisen am Pool liegend ertappt, doch an die eine oder andere unerledigte Mail, offene Angelegenheit oder nahende Anmeldefrist zu denken. Hier ziehe ich die Entspannung aus dem Tun.
Am Ende des Wochenendes bestaunen wir zufrieden unsere Kunststücke. Mein Holztablett, unter dessen nun elfenbeinweißer Oberfläche ein helles Blau durchschimmert, könnte glatt als teures Erbstück durchgehen. Heike ist sehr zufrieden mit uns.
Das Gelernte vertiefen
Als ich am letzten Abend in meinem antiken Prinzessinnenbett im märchenhaften weiß-pastellfarben gehaltenen Gästezimmer liege, kombiniere ich im Geiste neue Farbduette. Ich denke da an den massiven Holzschreibtisch meines Mannes als nächstes Projekt. Schließlich hat sein Impuls meine kreativen Kräfte in den Flow gebracht …
Text: Sophie Stöcker, Aufmacherfoto: iStock
Anmerkung der Redaktion: Heikes Shabby-Chic-Workshop findet zurzeit nicht mehr statt. Das Angebot an Möbeldesign-Workshops im Netz bietet jedoch zahlreiche Alternativen. Ideen zum Beispiel unter https://kreativreisen.de*.
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