Einmal einen Hundeschlitten fahren – für Autorin Antoinette Schmelter-Kaiser ein langersehnter Traum. Jetzt hat sie Thomas Gut und seine 50 Huskys im Bayerischen Wald besucht, wo man sogar eine Art Hundeschlittenführerschein machen kann.
Die Gewissheit, dass gleich ihr Frühstück kommt, plus unbekannter Besuch auf dem Hof: Diese Kombination sorgt für Aufregung unter den 50 Alaskan Huskys des unkonventionellen Unternehmens Waldschrat’s Adventure Company.
Erwartungsvolles Bellen echot um neun Uhr morgens über den Bauernhof zwischen Zwiesel und Frauenau im Bayerischen Wald. „Alle bekommen eine Kelle Suppe“, erklärt Besitzer Thomas Gut. Aber erst, wenn die Hunde auf den Befehl „Sitz!“ reagieren, wird ihr Metallnapf gefüllt und durch das Kommando „Auf geht’s!“ freigegeben.
Kein Husky ist wie der andere
Mein Schnupperkurs zum Musher (Fachausdruck für Schlittenhundeführer), bei dem ich am Ende selbst den Hundeschlitten fahren darf, startet mit einem Kennenlern-Ritual. Ich soll die Hündinnen der Reihe nach mit Futter versorgen. So kann ich ersten Kontakt zu Sopherl, Lisl, Emma und Co. aufbauen, während Gut die Rüden füttert.
Die eine folgt brav, die andere lässt sich mehrfach bitten. Jede Hündin zeigt ihren eigenen Charakter – zutraulich, forsch oder vorsichtig – so unterschiedlich wie ihre Fellfarben von Blond, Braun, Grau bis Schwarz. Die Disziplin ist vorbildlich: Ein Blick von Gut genügt, schon sitzen alle Rüden still. Zu fressen wagen sie erst, als alle etwas bekommen haben.

Schlittenhunde müssen ausdauernd und kälteresistent sein. Alaskan Huskys sind dafür wie geschaffen. Foto: Heidi Kufner
Perfektes Zusammenspiel
Das perfekte Zusammenspiel bemerke ich auch beim Einladen der Hunde, die heute trainieren dürfen. Wie ferngesteuert sausen die 12 Auserwählten zu einem kleinen Lkw und springen mühelos über die Rampe in eine der neben- und übereinandergestapelten Transportboxen auf der Ladefläche.
„Sie wissen: Bald dürfen sie laufen“, erklärt Gut auf der Fahrt in ein 10 Kilometer entferntes Gebiet, wo er im Winter das Nutzungsrecht für bestimmte Wege von den Bayerischen Staatsforsten pachtet.

Achtung: Hundeschlitten! Im Bayerischen Wald ist man den Anblick gewohnt, seit mit Waldschrat’s Adventure dort die erste Schlittenhundeschule Deutschlands gegründet wurde. Foto: Heidi Kufner
Kommandos als Wegweiser
Auf einem verschneiten Parkplatz am Waldrand gilt es, die 20 Kilo schweren Übungsschlitten vom Dach abzuseilen – für den kräftigen Gut ein Kinderspiel. „Die Füße stehen rechts und links auf den Kufen oder belasten die Bremsmatte dazwischen. Gelenkt wird statt mit Zügeln durch Gewichtsverlagerung und mit der Stimme: ‚Gee‘ heißt rechts, ‚Haw‘ links, ‚Whoah‘ Halt.“
Anspannung vor dem Loslaufen
Bevor der spannendste Part beginnt und wir mit dem Hundeschlitten fahren, wird jedem Hund ein Geschirr umgeschnallt. Von ihm führen vorne eine Neck- und hinten eine Tugline zu einem zentralen Zugseil, das mit dem Hundeschlitten verbunden ist. Seine 8 Hunde hat Gut im Nu paarweise angeordnet und perfekt vorbereitet.
Bei meinem Quartett brauche ich Hilfe, um Pfoten, Köpfe und Körper im Leinenwirrwarr zu sortieren. Bei den Hunden macht sich Unruhe breit: Einige heulen, andere zittern. „Das ist nicht die Kälte, vor der sie ihr dichtes Fell schützt, sondern Anspannung“, erklärt mir Gut. „Sie wollen jetzt nur eines: los!“

Nach der Schlittentour werden zuerst die Hunde versorgt. Foto: Heidi Kufner
Rauf auf den Hundeschlitten
Diesen Bewegungsdrang der Leistungssportler auf vier Pfoten darf ich als Beifahrerin bei einer kurzen Probefahrt mit Gut erleben. Dann besteige ich auch schon meinen eigenen Hundeschlitten und übernehme selbst die Führung.
Nach meinem semiüberzeugten „Go!“ traben die Hunde los und folgen dem Schlitten ihres Besitzers. Der gefährlichste Anfängerfehler ist, zu schnell zu fahren, hatte Gut erklärt. Gar nicht so einfach.
Anfangs gerate ich recht schnell ins Schwanken, aber auf geraden Strecken halte ich mich schon ganz passabel. Bei einer Kurve, die die Huskys sehr eng nehmen, beschleunigt sich mein Puls. Der Hundeschlitten beginnt, nach außen zu driften – und ich fürchte zu kippen. Aber dank Guts Korrekturen, für die wir zwischendurch stoppen, kann ich meine Technik verbessern und fasse Vertrauen in mich und die Tiere.

Ein Glück, dass im Bayerischen Wald bereits ab Dezember viel Schnee fällt. Das macht die Tour perfekt. Foto: Heidi Kufner
Volle Konzentration beim Hundeschlitten Fahren
„Laute, klare Kommandos geben“, ruft mir Gut zu, weil die Hunde nicht immer direkt auf meine Befehle reagieren. „Und immer kräftig auf die Bremsmatte treten, damit sie nicht zu schnell werden.“
Nicht umsonst hat er mich vorgewarnt, dass Anfänger mit „1000 Kleinigkeiten zu kämpfen haben“. Vor lauter Konzentration nehme ich den zauberhaft verschneiten Wald, durch den wir fahren, kaum wahr.
Am Ende meiner Jungfernfahrt habe ich weiche Knie. Die Kombination aus Balancieren und Bremsen sowie die Sorge, etwas zu vergessen, ist anstrengender, als ich dachte. Durchschnaufen geht aber erst, als alle Hunde erneut Suppe und Fleischstücke als Belohnung erhalten haben und sich in ihren Boxen ausruhen. Die Hunde werden bei Gut nun mal zuerst versorgt.

Thomas Gut, Besitzer von 50 Huskys, führt die Schlittenhundeschule Waldschrat’s Adventure Company. Foto: Heidi Kufner
Vom Hobby zur Vollzeitbeschäftigung
Jetzt, wo ihr Bewegungsdrang gestillt ist, wirken die Huskys regelrecht anschmiegsam. Was seine Hunde brauchen, hat Thomas Gut zum Teil von Experten gelernt. Der Rest ist Learning by Doing.
Früher entwickelte der 1960 Geborene als Ingenieur Armaturenbrettfolien in Eislingen. Weil er gerne in den Bergen unterwegs war, schaffte er sich einen Siberian Husky als Begleitung an. Ihm folgten 6 Alaskan Huskys, die mehr Platz brauchten. Den fand Gut 1988 auf einem Hof im Bayerischen Wald, wo er sein Hobby zum Beruf machte und die erste Schlittenhundeschule Deutschlands gründete.
Aus Liebe zu den Huskys
Heute hat Gut 50 Huskys, die er und seine Partnerin für den Eigenbedarf züchten und ausbilden. Im Sommer bietet er Workshops oder Schlittenhundewagenfahrten an, im Winter Schnupperkurse sowie Grund- und Aufbaukurse für Guts Musher-Diplom. Das befähigt, „ein Hundegespann zu führen und zu beherrschen“.
„Ein Drittel unserer Kunden sind Stammgäste“, erzählt Gut. „Mitbringen sollten sie Tierliebe, ein bisschen Kondition und die Bereitschaft zur Teamarbeit.“ Und im Winter wärmende Funktionskleidung.
Nicht jeder ist so abgehärtet wie Gut, der sich bei minus 10 Grad und 50 Zentimeter Schnee am wohlsten fühlt, möglichst oft barfuß läuft, um den Hals eine Braunbärenkralle und am Gürtel ein Multifunktionswerkzeug sowie ein Messer trägt, um im Notfall Hunde aus verhedderten Leinen zu befreien.
„Unsere Huskys gehören zur Familie, werden meist bei uns geboren und bleiben bis zu ihrem Tod. Mein Leben bereichern sie seit über 35 Jahren“, fasst Gut zusammen. Als letzte Tat seines langen Arbeitstages versorgt er alle Hunde. Dann kehrt Ruhe auf dem Hof ein – zumindest bis zum nächsten Morgen und zur nächsten Frühstückssuppe, die er kredenzt.

Husky-Touren kann man inzwischen deutschlandweit buchen. Foto: Heidi Kufner
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Wo kann man Hundeschlitten fahren?
Man muss längst nicht mehr nach Lappland reisen – es gibt zahlreiche Anbieter von Hundeschlittenfahrten, verteilt über ganz Deutschland. Zum Beispiel im Schwarzwald, im bayerischen Allgäu, bei Fulda oder nahe Bremen. Husky-Touren zum Mitfahren bieten alle an, aber nicht alle Kurse oder Workshops.
Welche Jahreszeit ist die beste?
Husky-Touren sind prinzipiell das ganze Jahr möglich. Ohne Schnee fährt man im Trainingswagen mit Reifen. Jedoch unterscheiden sich die Anbieter im Programm auch saisonal. Vergleichen lohnt sich.
Was brauche ich?
Im Winter: warme Funktionskleidung. Im Sommer: Kleidung mit ausreichend Bewegungsfreiheit, die am besten Arme und Beine bedeckt. Es wird empfohlen, einen Helm zu tragen.
Was kostet das Vergnügen?
Ein- bis zweistündige Husky-Touren beginnen ab etwa 70 Euro für Erwachsene (Kinder oft ermäßigt). Bei Musher-Kursen unterscheiden sich die Preise je nach Anbieter und Dauer. Sie reichen vom eintägigen Schnupperkurs ab ca. 200 Euro bis zum 7-Tages-Intensiv-Kurs für rund 900 Euro (inkl. Verpflegung), nach dem man auch befähigt ist, einen Hundeschlitten zu führen.
Gibt es ein Mindestalter?
In Begleitung von Erwachsenen dürfen Kinder meist ab 6 Jahren mitfahren. Für Musher-Touren bzw. Kurse liegt das Einstiegsalter bei ca. 16 Jahren. Hier spielt auch die Körpergröße eine Rolle. Unbedingt vorher beim Anbieter erfragen.
Infos zur Schlittenhundeschule Waldschrat’s Adventure Company über http://www.waldschrat-adventure.de/*.
Autor: Antoinette Schmelter-Kaiser Aufmacherfoto: Heidi Kufner
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