Die ausgebildete Parfümeurin Annabelle Coffinet kümmert sich als Duftdesignerin bei BMW um den perfekten Geruch im Auto. Wie sie mit ihren Innenraumdüften den Spaß am Wagen und das Wohlbefinden beim Fahren steigern will.
Auf Knopfdruck riecht es im Auto wie in den schottischen Highlands, frisch und natürlich. Oder nach salzigem Meer. Oder Wüste. Seit einer Weile bieten Hersteller wie Audi, BMW und Mercedes für viele ihrer Modelle verschiedene Innenraumdüfte an. Das Aroma wird über ein mit Duftöl getränktes Vlies durch Lüftung und Klimaanlage in den Innenraum verströmt, die Duftintensität lässt sich variieren.

BMW-System “Ambient Air”: Über den Touchscreen lassen sich die Dufteinstellungen regeln. Foto: BMW AG
Annabelle Coffinet ist bei BMW als Creative Fragrance Director für die Beduftung in den Fahrzeugen zuständig. Mit ihrer geschulten Nase sorgt die ausgebildete Parfümeurin für eine individuelle Duftmarke im Innenraum der Autos. Düfte würden komponiert, erklärt sie. Wie Musik seien sie harmonische Zusammensetzungen. “Passagiere fühlen sich mit Düften wohler, auch wenn jeder Mensch anders riecht”, so die Französin.
Menschen nehmen Düfte unterschiedlich wahr
Mit ihren rund 350 verschiedenen Rezeptoren nehmen Menschen Aromen und Gerüche unterschiedlich wahr. So hat etwa die Kultur Einfluss auf die Duftvorlieben. Während im Mittleren Osten beispielsweise der Körper gern mit einem holzartigen Duft parfümiert wird, beduften Chinesen weniger sich selbst, dafür mehr Räume. Männer und Frauen riechen übrigens gleich, nur die Empfindlichkeit ist bei den Geschlechtern anders ausgeprägt. Düfte gehen ins für Emotionen zuständige limbische System sowie in den Hippocampus, verantwortlich für die Erinnerung. Daher seien Düfte für Menschen wichtig, so Annabelle Coffinet. Denn die Nase lässt sich nicht abschalten, sie ist immer auf Empfang.
Duftdesignerin: Professionelles Riechen muss man lernen
Die Duftexpertin wächst in Fontainebleau, 50 Kilometer südlich von Paris auf. “In den schönen Wäldern konnte ich meine Nase früh trainieren”, erzählt sie. An den ersten intensiven Geruch kann sie sich heute noch erinnern: Bergamotte. Blumig, warm, zitronig. Nach dem Schulabschluss studiert sie Medizin, wechselt aber nach kurzer Zeit auf die Isipca (Institut supérieur international du parfum, de la cosmétique et de l’aromatique alimentaire) in Versaille. An der weltweit führenden Schule in den Bereichen Duft, Kosmetik und Aroma macht sie ihren Master und lernt, wie Düfte aufgebaut werden und wie sie funktionieren.
“Professionelles Riechen verlangt ähnlich viel Übung und Talent wie Musizieren oder das Erlernen einer Fremdsprache. Düfte sind nicht einfach zu greifen und zu unterscheiden”, sagt Annabelle Coffinet. Noch heute trainiert sie mehrmals pro Woche und schnuppert sich dabei nacheinander durch 200 verschiedene Duftproben.

Ausgebildet am renommierten Internationalen Parfüm-Institut in Versailles: Annabelle Coffinet
Innenraumdüfte für Autos sind gefragt
Nach ihrem Studium arbeitet sie zunächst als Duftdesignerin in Südfrankreich und der Schweiz, bevor sie sich 2012 bei BMW bewirbt. “Die Beduftung von Fahrzeugen war noch ein unentdecktes Feld. Ich dachte mir, dass ein neuer, emotionaler und hochwertiger Duft den Autos gut stehen würde”, erklärt sie. Das erste Auto mit ihren Kompositionen wird 2015 der neue 7er BMW. Die Innovation kommt gut an, sodass die Ausstattung “Ambient Air” mit insgesamt zehn verschiedenen Düften mittlerweile in vielen weiteren Modellen wie dem BMW 7er, BMW X6, X5 und X4, BMW 6er GT und der 3er-Baureihe angeboten wird. Bei Mercedes gibt es das Duftsystem Air Balance in der S-Klasse, im GLS, CLS, E-Klasse Limo und Coupé, C-Klasse und dem EQC. Und Audis Air-Quality-Paket kann für den Audi A8, A6 und Q7 geordert werden.
Ideen für neue Düfte sammelt Annabelle Coffinet auf sogenannten Moodboards. Gemeinsam mit Designern und Ingenieuren legt sie fest, welche Stimmung die BMW-Fahrzeuge mit den Aromen künftig erzeugen sollen. Dazu erstellt sie ein Briefing, lässt sich von verschiedenen Elementen inspirieren, um dann eine Mixtur im Auto in mehreren Schleifen testen zu können.

Vanille, Zimt und Co.: Die richtigen Aromen sind entscheidend für den Erfolg eines Duftes. Foto: BMW AG
Eine Duftentwicklung dauert zwei Jahre
“Ein Duft fürs Auto wirkt im Innenraum anders als in einem großen Labor, daher testen wir ausgiebig in den jeweiligen Fahrzeugen. Wichtig bei der Komposition ist neben den richtigen Parametern auch die passende Balance. Düfte dürfen nicht dominant ausfallen, sondern sollen dezent, fast neutral wirken und leicht verfliegen. Sie dürfen außerdem nicht polarisieren, müssen kreativ und doch nicht banal riechen”, sagt die Expertin.
Schwere Düfte funktionieren in Autos ebenso wenig wie etablierte Aromen. “Den Geruch von Lavendel empfinden zwar viele Menschen als angenehm, er ist aber zu bekannt. Ein neuer Duft muss unbefangen sein und keine Assoziationen auslösen, er muss einen positiven Effekt auf die Menschen ausüben und die Seele ansprechen. Dann riecht er perfekt”, erklärt sie. Für eine komplette Duftentwicklung benötigt sie ungefähr zwei Jahre.
Zu Annabelle Coffinets persönlichen Favoriten zählen Unisex-Düfte, die neu und kreativ sind und sich selbst variieren. “Es ist vergleichbar mit einem Spaziergang durch einen Wald, in dem alle hundert Meter ein anderer Geruch die Nase kitzelt”, erklärt sie. Als Lieblingsduft im BMW-Fahrzeug stellt sie “Golden Suite” ein. Er hat eine holzige, warme und würzige Note, überdeckt aber nicht den Eigengeruch des Fahrzeugs. Denn das soll seinen Charakter nicht verlieren – und weiter nach Leder und neu riechen.
Titelfoto: BMW AG
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