Lange war das Autokino etwas, das man vor allem aus alten US-Filmen kannte. Mit der Pandemie hat unser Autor das Autokino neu für sich entdeckt. Eine Liebeserklärung.
Autokino – brandneue Filme treffen auf Nostalgie
Matt Dillon, Patrick Swayze und Tom Cruise waren kaum jemandem bekannt, als sie Anfang der 80er-Jahre unter einem Zaun hindurchkrabbelten, um aufs Gelände eines Autokinos zu kommen. Es sollte der Beginn einer schicksalhaften Nacht werden, damals, 1983, in „Die Outsider“ von Regisseur Francis Ford Coppola.
Ganz so dramatisch wird unser Filmabend im Autokino München-Aschheim vermutlich nicht, auch wenn mein Kumpel Benedikt und ich uns viel erwarten. Schließlich läuft der neue James Bond und wir waren ewig nicht mehr im Kino.
Autokinos waren für mich lange Zeit etwas Altmodisches, das ich nur aus US-Filmklassikern wie „Grease“ kannte. Beim Gedanken an sie geistern riesige bonbonfarbene Cadillacs durch meinen Kopf, Familien mit softeisbewaffneten Kindern, Teenagerpaare mit Schmalztolle und Petticoat, die bevorzugt die letzte Autoreihe ansteuern, die berühmte „love lane“.
So war es im autoverrückten Amerika der 1950er und -60er. Die Menschen liebten es, mit ihren Straßenkreuzern ins Kino zu rollen und gemeinsam Hollywoodstreifen zu erleben. Rund 4000 Autokinos gab es damals in den USA – so viele, dass die regulären Kinos in den Innenstädten wegen der Konkurrenz in den Vororten teilweise schließen mussten.
Dass es auch in Deutschland noch immer Autokinos gibt, wusste ich lange nicht. Mein Kumpel war es, der das Autokino neulich mehr durch Zufall für sich entdeckte und vorschlug, sich den neuen James Bond durch die Frontscheibe anzusehen.

USA-Import: Die Idee zu Autokinos kommt aus Amerika. 1933 eröffnete das erste Drive-in Theatre in Camden, New Jersey. Foto: iStock
Autokino statt Multiplex: perfekt in der Pandemie
Aktuell gibt es in Deutschland gerade noch fünf dauerhafte Autokinos. Das für uns nächstgelegene befindet sich in München-Aschheim, rund 110 Kilometer vom Chiemsee, wo ich wohne, entfernt. Eine lange Fahrt, wenn man bedenkt, dass normale Kinos in Prien und Traunstein mit dem Auto in zehn Minuten zu erreichen wären… Doch was ist in Pandemiezeiten schon normal? Ich bin mir unsicher, ob es sich für mich derzeit richtig anfühlen würde, mit Dutzenden Menschen im Kinosaal vor der Leinwand zu sitzen. Aber auf meinen ersten Film im Autokino freue ich mich.
Dass wir in einem GMC Classic Sierra (auch Colt Seavers fuhr so einen in der Serie „Ein Colt für alle Fälle“) ins Autokino fahren, hat nostalgische Gründe. Außerdem muss das Auto ja auch mal etwas anders erleben als die ewig gleichen, vollbeladenen Fahrten zum Wertstoffhof.
Nostalgie ist jedoch nicht der einzige Grund: In meinem deutlich spritsparenderen Kombi geht automatisch das Tagfahrlicht an, wenn man die Zündung startet, etwa um zwischendurch den Scheibenwischer anzuschmeißen. Das würde die anderen Zuseher im Autokino stören. Na gut, auch das ist vielleicht nur eine Ausrede, um den V8 zu bewegen, denn schließlich kann man sich im Autokino spezielle Matten leihen, mit denen sich das Tagfahrlicht abschirmen lässt. Bleibt die unschlagbare Beinfreiheit des GMC für zwei knapp unter und knapp über Zweimetermänner!
James Bond soll pünktlich ab 20.30 Uhr die Welt retten. So starten wir am Chiemsee um 18.30 Uhr und hoffen auf eine freie A8 Richtung München. Als um 20 Uhr die Tore öffnen, stehen wir bereits in einer kleinen Schlange, die sich aber zügig auflöst.

Auf Tuchfühlung: Kenner fahren gut vorbereitet ins Autokino – u. a. mit einem Mikrofasertuch gegen beschlagene Scheiben. Foto: iStock
Wer gut vorbereitet ist, hat es gemütlicher
Nach der Kasse – hier wird pro Fahrgast und nicht pro Auto bezahlt – leiten uns Platzanweiser mit Warnwesten zu unserem Platz auf der XXL-Parkfläche. Seit Corona kann man sich nicht mehr selbst aussuchen, wo man während des Films steht. Aber auf die „love lane“ wollen wir ohnehin nicht. Und der Blick auf die 36 Meter breite und 15 Meter hohe Projektionsfläche ist von überall aus gut. Etwas ungewohnt, aber eigentlich logisch: Mit den Vorderreifen stehen wir auf einer kleinen Rampe. So haben wir beste Sicht auf den überdimensionalen Bildschirm.
Als 007 seine erste Verfolgungsjagd im Aston Martin absolviert, ist es im Auto noch schön warm. Doch bald greift der Erste von uns zur Mütze – die herbstlichen Temperaturen ziehen langsam ins Innere. Wir sind gut vorbereitet und haben Wolldecken dabei. Old School – aber irgendwie auch gemütlich. In der letzten Reihe wird jetzt sicher schon gekuschelt.
Wer verfroren ist und nicht gelegentlich den Motor und damit die Sitzheizung aktivieren will, sollte vielleicht noch eine Wärmflasche und einen heißen Tee in der Isolierkanne einpacken. Oder man greift zu einem der strombetriebenen Heizlüfter, die der Kiosk verleiht und die das Auto schnell wohlig warm machen. Wir allerdings freuen uns über unsere deutlich umweltfreundlichere Variante.

Film ab: Decken und Snacks machen den Kinoabend noch besser. Foto: Jeppe Gustafsson / Alamy Stock Foto
Im Autokino kommt der Sound übers Radio
Ein bisschen Planung ist im Autokino schon nötig. Kurz hinter dem Kreuz München-Ost haben wir noch an einer Tankstelle Halt gemacht und die Scheiben von außen gewischt. Mit Fliegendreck auf der Scheibe nützt auch die beste Auflösung der Xenon-Projektoren nichts. Auf der Rücksitzbank liegt seitdem ein Mikrofasertuch, falls die Windschutzscheibe von innen anlaufen sollte. Insider verraten im Internet, dass das Anlaufen der Scheiben effektiv verhindert werden kann, wenn man – kein Witz – mit einer durchgeschnittenen Kartoffel übers Glas fährt. Das probieren wir vielleicht das nächste Mal aus.
Früher kam der Ton im Autokino über riesige Lautsprecher und beschallte auch Kilometer entfernte Wohnsiedlungen. Das ging nicht lange gut, weshalb man in der Folge kleinere Lautsprecher über die Parkfläche verteilte. In München-Aschheim kommt der Sound seit jeher übers Radio. UKW 98,9 MHz ist die Frequenz für die volle Dröhnung vor der großen Leinwand. Das funktioniert einwandfrei, wie wir bei der Eröffnungssequenz des Films erleben – auch wenn die Audioausstattung im Classic Sierra nicht auf dem neuesten Stand ist.

Ton an: Im Autokino München-Aschheim kommt der Sound übers Radio. Foto: iStock
Kinohits fast wie im Wohnzimmer
Abhängig von der Musikanlage im Auto lassen sich Filme im Autokino akustisch rundum genießen. Man kann so laut drehen, wie man will – und sich nebenbei sogar noch unterhalten, ohne ein verstimmtes Zischen aus der Vorderreihe zu ernten. Überhaupt lassen sich Filme im Auto wunderbar individuell genießen – fast so, als säße man mit Freunden im heimischen Wohnzimmer. Kulinarisch versorgt uns die Snackbar – heute mit alkoholfreiem Bier, Cola und Nachos. Der Blick ins Nachbarauto offenbart zugegebenermaßen noch Optimierungspotenzial: Dort gibt es zwei frisch zubereitete Double-Hamburger. Gute Idee, die merken wir uns einfach für unseren nächsten Autokinobesuch.
Hier geht’s zum Autokino in eurer Nähe: www.autokino-deutschland.de*
Text: Oliver Lang, Aufmacherfoto: Adobe Stock
* Durch Anklicken des Links werdet ihr auf eine externe Internetseite weitergeleitet, für deren Inhalte der jeweilige Seitenbetreiber verantwortlich ist.
Hier lest ihr alles über Virtual Reality im Auto.