Isabella Ostermaier ist ADAC Test-Ingenieurin und untersucht auf dem ADAC Testgelände im oberbayerischen Penzing die Ursachen von Unfällen. Wie sie Straßen sicherer machen will und wann sie schon mal auf Kollisionskurs mit einem Lkw geht.
Das ADAC Testgelände in Penzing scheint mit seinen 250 Hektar sehr weitläufig. Steht Isabella Ostermaier an einer der Betonpisten, wird es aber schnell eng. Gefährlich eng.
Die 26-Jährige ist Projektmanagerin in der ADAC Unfallforschung und untersucht Crashs – ob mit tonnenschweren Lkw, Kleinlastern oder Pkw. Mit ihrer Forschung will sie typische Unfälle vermeiden helfen, indem sie häufig wiederkehrende oder drohende Gefahrensituationen auf dem Testgelände nachstellt.

Unfallforscherin Isabella Ostermaier mit einem Kollegen beim Versuchsaufbau zu einem Test ©ADAC/Ralph Wagner
2019 starben auf deutschen Straßen über 3000 Menschen bei Unfällen – der niedrigste Stand seit über 60 Jahren. Verletzt wurden rund 384.000 Personen. Immer noch zu viele Tote, findet Isabella Ostermaier. Und: “Die Verletzten leiden häufig lange an den schlimmen Folgen eines Unfalls.”
Die Daten der ADAC Luftrettung helfen
Für ihre Arbeit wertet die ADAC Unfallforschung Informationen der ADAC Luftrettung aus, die jeden Tag zu etlichen schweren Verkehrsunfällen fliegt. “Diese Daten geben Aufschluss über viele Schwachstellen“, erklärt die Projektmanagerin.
Vor jedem Test in Penzing steht eine akribische Analyse: Welche Fahrzeuge sind betroffen? Wer sind die Fahrer? Was die vermutlichen Unfallursachen? Normen aus der nationalen und der europäischen Gesetzgebung fließen ebenso in die detailliert geplanten Tests ein: Halten die Hersteller von Sicherheitssystemen, was sie versprechen? Genügen sie den Normen?
Motivation der Unfallforscherin: Straßen sicherer machen
Neben einem Interesse an Statistik und Daten treibt Isabella Ostermaier die Leidenschaft, Straßen sicherer zu machen. Letztlich war dies auch die Motivation der Ingenieurin, ihr Berufsleben der Unfallforschung zu verschreiben: “Ich will wissen, warum Unfälle passieren, und wie man sie verhindern oder zumindest die Folgen mindern kann.”
An diesem sonnigen, aber kühlen Tag geht es in Penzing um Abbiege-Assistenten in Lkw. Sie sollen den Fahrer akustisch und optisch warnen, wenn beim Rechts-Abbiegen etwa ein Radfahrer im berüchtigten toten Winkel verschwindet.
“Manche Systeme piepen so oft, dass einige Fahrer genervt die Kabel durchschneiden“, weiß Isabella Ostermaier. Andere Systeme wiederum könnten Kinder nicht von Verkehrsschildern unterscheiden.
Das Test-Drehbuch wird akribisch ausgearbeitet
Geübte Rad- und Lkw-Fahrer stehen bereit, Hersteller haben ihre aufgerüsteten Lastwagen samt Begleitpersonal geschickt. An den Fahrrädern, Lkw und in deren Fahrerkabine bringen Techniker Kameras an, die zusammen mit einem TV-Team die Abläufe dokumentieren. Auch einen an einem Riemen gezogenen radelnden Dummy bieten die ADAC Test-Techniker auf.
Die passionierte Radlerin Isabella Ostermaier schwingt sich notfalls aber auch selbst aufs Rad und kommt einem Test-Lkw bewusst in die Quere. Natürlich mit einem Helm geschützt und gut geplant. Das vom Test-Team “Test-Protokoll” genannte Drehbuch für diesen Tag ist lange vorbereitet und ausgiebig diskutiert.

Isabella Ostermaier auf ihrem Fahrrad beim ADAC Test zu Lkw-Abbiege-Assistenten ©ADAC/Uwe Rattay
Die kommenden Stunden sollen Ostermaier Antworten auf wichtige Fragen geben, etwa ob die getesteten Abbiege-Assistenten Radler rechtzeitig erkennen und der Fahrer eine vernünftige Warnung erhält.
Sechs Monate von der Testidee bis zur Veröffentlichung
Bis zu 60 Fahrten unter möglichst realen Bedingungen absolvieren Menschen und Maschinen an diesem Tag auf dem ehemaligen Fliegerhorst. Die Auswertung der Ergebnisse bedeutet Tage und Wochen am Schreibtisch: Daten müssen analysiert, Videos gesichtet, die Ergebnisse mit Kollegen diskutiert werden.
Dann erst benennt Isabella Ostermaier Schwachstellen, informiert Hersteller, Gesetzgebung und Öffentlichkeit. “So ein Test dauert von der Idee bis zum Ergebnis durchaus sechs Monate”, erklärt sie. Bis die Hersteller die gelieferten Erkenntnisse wiederum in Produktionszyklen umsetzen, vergehen noch mal Jahre.
Manches geht aber auch ganz schnell: Nach der Veröffentlichung der letzten Testergebnisse im Frühjahr 2019 füllte das Verkehrsministerium den damals bereits leeren Fördertopf für Lkw-Abbiege-Assistenten unverzüglich wieder auf: “Die ADAC Ergebnisse haben sicher dazu beigetragen”, so Isabella Ostermaier.
Forschen für die Mobilität der Zukunft
Ein bereits abgeschlossenes Projekt der Unfallforscherin beschäftigte sich mit der Zukunft, konkret dem automatisierten Fahren. “Automatisiertes Fahren verändert das Sitzen in Fahrzeugen, die Passagiere können während des Fahrens Karten spielen, schlafen, Zeitung lesen, einfach alles”, sagt die Oberbayerin.
Und das würden sie künftig weder aufrecht noch in Fahrtrichtung sitzend tun, sondern zum Beispiel liegend oder quer zur Fahrtrichtung. Dafür aber sind die bislang üblichen Gurte und Airbags nicht ausgelegt. Für Insassen hätte ein Unfall deshalb katastrophale Folgen.
Isabella Ostermaier mit Kollegen beim Test “Zukünftige Sitzpositionen beim autonomen Fahren” ©ADAC/Ralph Wagner
Ostermaier beschäftigt sich seit über acht Jahren mit dem automatisierten Fahren – oder besser mit den damit verbundenen Risiken. “An einem solchen zukunftsträchtigen Thema aktiv mitzuarbeiten, ist schon sehr spannend!”
Zwar erwartet sie in den kommenden Jahren in neuen Fahrzeugen erst nur Liegesitze für den Beifahrer, aber dafür braucht es zum Beispiel neue Airbag-Konzepte bzw. spezielle Gurte. Das jedenfalls ist ein Ergebnis aus Crash-Versuchen im Frühjahr.
Nach dem Test ist vor dem Test
Im Moment laufen die Vorbereitungen für einen Test von Pedelecs: Untersucht werden deren digitale Kommunikation untereinander sowie mit anderen Verkehrsteilnehmern, etwa Autos. Nach etlichen Planungsstunden am PC und vielen Telefonaten wird Isabella Ostermaier am Ende auf dem ADAC Testgelände in Penzing stehen, wo es dann wieder ganz, ganz eng wird.
Luftaufnahme des ADAC Testgeländes in Penzing ©ADAC/Test und Technik
Lest auch unsere Reportage zum Crash-Test Auto gegen Wildschwein.
Foto: ©ADAC/Ralph Wagner
Sehr geehrter Herr Breindl,
mich haben Sie am Tisch nicht verzaubert. In Ihrem Beitrag schreiben Sie, daß die 26-Jährige sich seit 8 Jahren mit dem automatisierten Fahren beschäftigt. Solche Zahlen sollten überlegt verwendet werden: Acht Jahre vorher war sie normalerweise (auch bei G8) nicht mit dem Abitur fertig und somit auch nicht Ingenieurin, was der Text nahe legt. Wenn das mit einem Hobby geschah, sollte es auch so dargestellt werden. Andererseits verprellt man u.U. Interessierte Schüler.
Mit freundlichen Grüßen und
bleiben Sie gesund
Dipl.-Met. Henning Ilmer
Lieber Herr Ilmer,
bei der Magie kommt das Überraschende oft am Schluss. Isabella Ostermaier steckte mit 18 schon tief im Studium: Wegen ihres Schwerpunktes “Fahrzeugtechnik” hat das automatisierte Fahren seit dem ersten Tag eine große Rolle gespielt…
Herzliche Grüße
Roman Breindl